Göttingen, Kamerun und der antikoloniale Widerstand (TEIL 2 – Botanik und Medizin)

Im Folgenden fokussieren wir uns allerdings vor allem auf die Universität, da diese für Göttingens koloniale Verbindungen mit Kamerun von besonderer Bedeutung war.[i]

In einem ersten Teil setzen wir uns diese Woche mit der Botanik und der Medizin auseinander. Nächste Woche folgen die Humananthropologie, Astronomie und Rechtswissenschaft.

Botanik

Das Büsgen-Institut der Universität Göttingen ist nach Moritz Büsgen benannt, der von 1915–1921 Lehrbeauftragter für Botanik an der Universität Göttingen war.

Er unternahm 1908/9 eine Forschungsreise nach Kamerun, die durch das Kolonialwirtschaftliche Komitee finanziert wurde. Büsgen profitierte von den kolonialen Strukturen und gründete auf den Forschungsergebnissen dieser Reise ein eigenes Fach: die „Kolonialbotanik“.

Eteki

Er wurde dabei von Eteki, einem Tischler aus Douala begleitet, der mit den lokalen Forststrukturen vertraut war. Vermutlich hatte Eteki mit seinen Forst- und Sprachkenntnissen maßgeblichen Anteil an dem Erfolg der Reise und war selbst Urheber einiger Ergebnisse.

Sein Name findet sich jedoch auf keinem Straßenschild, auf keinem Buchumschlag, nicht einmal in einer Danksagung.

WEn erinnern wir uns wen nicht?

Das ist kein Einzelfall. Während zahlloser europäischer Forschungsreisen sind die vermutlich wichtigsten Akteur*innen kolonialen Wissenstransfers und kolonialer Wissensproduktion in Vergessenheit geraten. Forscher*innen waren im hohem Maße abhängig von Dolmetscher*innen, Träger*innen sowie von einheimischen Orts- und Sachkundigen. Diese „Intermediaries“ („Vermittler*In“) ermöglichten auf verschiedenen Ebenen den Austausch zwischen unterschiedlichen Personen und Kulturen.

Dass Eteki im Forschungsbericht auftaucht, ist nicht selbstverständlich. In den meisten Fällen lässt sich kaum rekonstruieren, wo und inwiefern Intermediaries an wissenschaftlicher Arbeit mitwirkten. Ihre Rolle an der Wissensproduktion war von sehr großer Bedeutung, wurde und wird jedoch unsichtbar gemacht.[ii]

Medizin

Ein weiteres Beispiel ist Robert Koch. In Göttingen wird das Erbe Koch durch die Robert-Koch Straße gewürdigt. Er studierte ab 1862 in Göttingen. In der Erinnerung an Koch wird seine Tuberkulose Forschung hochgehalten, seine kolonialen menschenverachtenden Verbrechen hingegen unsichtbar gemacht.

Koch unternahm viele Reisen in die deutschen Kolonien. In Deutsch-Ostafrika empfahl er erstmals Krankenlager zu errichten, in denen Infizierte fern von ihren Heimatorten dauerhaft untergebracht würden und bediente sich dabei einem Konzept von „Konzentrationslagern“. Koch zielte dabei auf eine Vision großangelegter Umsiedlungen ab– ein Konzept, das später auch in Togo und Kamerun übernommen wurde.

Togo und Kamerun wurden insgesamt fünf solcher Anstalten geschaffen. In ihnen wurde an den Körpern der lokalen Bevölkerung experimentiert. Sie wurden regelmäßig mit Atoxyl behandelt, das bekanntermaßen in hoher Dosierung giftig ist.

Trotzdem arbeitete Koch mit hohen Dosierungen und nahm Schmerzen, Erblindung und den Tod tausender Menschen billigend in Kauf.

In Kolonialgebieten hat Koch also die Menschen als Forschungssubjekte benutzt, auf eine Art und Weise, in der es in Deutschland nie erlaubt gewesen wäre.

Robert Koch in Duala – Helfer des rassistischen Systems

Robert Koch taucht im ersten Comic über den Widerstand der Douala auf, dort spricht er mit anderen Kolonialherrschenden über ihr Vorhaben eine rassistische Stadtteildung Schwarzer und weißer Menschen durchzuführen. Diese Stadtteilung wurde mit einem vermeintlichen Ansteckungsrisiko durch Schwarze Menschen an Malaria begründet.

In Douala wurden dadurch 25.000 Douala enteignet. Doch nicht nur durch die im Comic geschilderten Taten von Douala Manga Bell wurde Widerstand geleistet, auch andere Douala widersetzten sich, indem sie sich weigerten Krankenhäuser aufzusuchen. Die Krankenhäuser wurden durch Kolonialherrscher*innen aus wirtschaftlichen Zwecken errichtet. Es war in ihrem Interesse die Bevölkerung gesund zu halten, um den Handel und die Wirtschaft aufrecht zu erhalten.

In dem die Douala den Besuch von Krankenhäusern vermieden, versuchten sie mit dem rassistischen Narrativ zu brechen, dass alle Schwarzen Menschen seien krank und leisteten so Widerstand.[iii]


Quellen:

[i] Vgl. Rebekka Habermas: Universität und Kolonialismus – Das Beispiel Göttingen, in: https://goettingenkolonial.uni-goettingen.de/index.php

[ii] Vgl. Albert Feierabend: Intermediaries, in: https://goettingenkolonial.uni-goettingen.de/index.php/lehre/personen/intermediaries

[iii] Manuela Bauche: Robert Koch, die Schlafkrankheit und Menschenexperimente im kolonialen Ostafrika, in: https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/robertkoch.htm und  Deutschlandfunk: Menschenexperimente – Robert Koch und die Verbrechen von Ärzten in Afrika, Deutschlandfunk, in: https://www.deutschlandfunk.de/menschenexperimente-robert-koch-und-die-verbrechen-von-100.html.

Eine Antwort zu „Göttingen, Kamerun und der antikoloniale Widerstand (TEIL 2 – Botanik und Medizin)“

  1. Avatar von webpage

    Really excellent information

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Beitrag veröffentlicht

in

, ,

von

Kommentare

Eine Antwort zu „Göttingen, Kamerun und der antikoloniale Widerstand (TEIL 2 – Botanik und Medizin)“

  1. Avatar von webpage

    Really excellent information

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert